R.I.P. Dunk-Contest...ein Nachruf




Ein weiterer Dunk-Contest, eine weitere herbe Enttäuschung für NBA-Fans. Ich kann nicht explizit sagen, geschweige denn wissenschaftlich dokumentieren, wie verdrossen die NBA-Diaspora in Deutschland am vergangenen Samstag wirklich war. Den Kommentaren, Eindrücken und Meinungen im World Wide Web zufolge aber sprang der Funke nur bei den wenigsten Zuschauern über. In den USA wurde der Wettbewerb öffentlich zerrissen - zum Teil sogar von den teilnehmenden Spielern selbst. Das neue Format, inklusive weniger bekannter Teilnehmer, fehlender Schiedsrichter, Fan-Voting und einer einzigen Runde, klang im Vorfeld zwar vielversprechend, konnte die Erwartungen aber nie erfüllen.

Der Contest war schon einmal klinisch tot. 1997, nachdem ein Rookie namens Kobe Bryant ihn gewonnen hatte, entschied die NBA, den vermodernden Kadaver lebendig zu begraben. Deckel drauf, Erde drüber. Das war's. Die Liga buddelte ihn aber im Jahr 2000 wieder aus. Es war der legendäre Vince Carter, der den Zombie-Contest mit einer der elektrisierendsten Dunking-Darbietungen aller Zeiten wieder zu neuem Leben erweckte. Es folgten in der gleichen Tradition Highflyer wie Jason Richardson und Josh Smith, bevor sich gegen Ende der 00er Jahre ein neuer Virus in Windeseile im Inneren unseres Patienten verbreitete: Requisiten. Von Geburtstagskuchen über Verkleidungen und motorisierten Fahrzeugen, die extra auf's Spielfeld gefahren werden, ist mittlerweile alles vertreten, was von der eigentlichen Sache, dem Stopfen, ablenkt. Der Virus frisst sich durch das Gekröse und hat bereits alle lebenswichtigen Organe beschädigt.

Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Luftakrobaten wie Michael Jordan, Dominique Wilkins, Shawn Kemp, VC oder J-Rich, aber auch kraftvolle Power-Dunker wie Harold Miner oder Isiah Rider die Latte dank immer neuer Ideen und Flugmanöver höher und höher legten. Es ging dabei immer um die Kunstform an sich - um Sprungkraft, Hangtime, Originalität und den eigenen, unverwechselbaren Style. Davon ist heute so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Da kommt ein Derrick Williams auf einem Motorrad in die Halle getuckert und zeigt den gleichen Dunk, den Blake Griffin letztes Jahr zum ungerechtfertigten Titelgewinn missbraucht hatte - minus der Kia-Motorhaube natürlich. Da springt ein Jeremy Evans über einen 20cm grossen Zwerg, nachdem Paul George in seinem ersten Versuch schon über seinen 2,20m Teamkollegen Roy Hibbert geflogen war. Und Chase Budinger versucht uns mit einer Mischung aus billiger Billy Hoyle Fastnachtsverkleidung und durchsichtiger Augenbinde zu lumpen. Die allgemeine Beklommenheit im Amway Center und an Millionen von Bildschirmen war spürbar. Das einzige, was uns an diesem peinlichen Abend tröstete war die Gewissheit, nicht alleine verarscht worden zu sein.

"Die Liga muss dringend die bekannten Gesichter wieder in den Contest hieven", machte ein sichtlich enttäuschter Paul George am nächsten Tag überdeutlich. Leute wie Michael und Dominique, die sich im direkten Vergleich duellierten. Das wollen die Fans sehen."

So sieht's aus. Es müssen ganz dringend neue Organe, ein komplett neues Format her. Der Patient liegt auf dem Totenbett, die Nulllinie in Sicht. Es kann nicht sein, dass ein guter Dunk zum Sieg ausreicht. Es kann nicht sein, dass der Champ via Onlinevoting von grösstenteils planlosen Sesselfurzern bestimmt wird, die selbst nicht einmal das Netz berühren könnten - geschweige denn verstehen, welche Anstrengungen und koordinativen Höchstleistungen bei einem 360 Grad Between the Legs Alley Oop vonnöten sind. Und es kann nicht sein, dass ein Spieler auf dem Court 20 mal den gleichen Dunking verhauen darf, ohne dafür Konsequenzen zu tragen (Nate Robinson hat auf diese Weise übrigens zwei seiner drei Titel eingeheimst).

Es reicht, NBA! Transparenz muss endlich her, vom Selektionsprozess über das Voting-System bis hin zu klaren Richtlinien - sonst kommt demnächst wirklich bald der Trampolin-Dunk von der Dreier-Linie. Ladet die bekanntesten, spektakulärsten acht Dunker der Liga ein. Oder holt zusätzlich die vier besten Amateur-Dunker der Welt mit ins Boot, Leute wie Kenny Dobbs oder T-Dub. Die brauchen komischerweise keine Kuscheltiere und keine Prominenten, um reihenweise Kinnladen herunter klappen zu lassen. Bringt die Punktrichter zurück. Bringt das Rundenformat zurück, so dass am Ende die zwei besten Känguruhs direkt gegeneinander springen. Verbietet endlich Requisiten. Ich will Dunks sehen, keine Neuaufführung von Starlight Express. Und vor allem: Steckt euch eure Knauserigkeit sonst wohin. Soll heissen, lasst endlich mal richtige Preise springen. Eine viertel Million Dollar, ein raketengetriebenes Hybrid-Auto, eine Crunchtime-Trainingseinheit mit Michael Jordan vielleicht. Hauptsache, die besten und spektakulärsten Jumper der Liga haben endlich wieder Lust am Dunking-Contest und nehmen wieder aus den richtigen Gründen teil: Originalität, Kreativität und der puren Lust am Fliegen. Bis dahin: Rest in Pieces.


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