Mit dem Rücken zur Wand


Nach vier absolvierten Partien im Conference Finale 2011 finden sich die Oklahoma City Thunder und die Chicago Bulls in der selben, äusserst prekären Lage wieder: beide Teams liegen gegen ihre Kontrahenten 1-3 zurück und stehen damit kurz vor dem Playoff-Aus. Nur wenig deutet momentan darauf hin, dass eine dieser jungen, aufstrebenden Mannschaften es schaffen wird, sein drohendes Schicksal noch abzuwenden - zumal in der bisherigen NBA-Historie 192 von insgesamt 200 Teams (96 Prozent) aus einem solchen Loch nicht wieder heraus geklettert sind.

Aber, wie ein geschätzter Leser heute richtig anmerkte: "...es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist". Genau so ist es. Als finaler Mutmacher also für alle Fans der Thunder und Bulls - und quasi als lebender Beweis dafür, dass das Unmögliche manchmal doch möglich ist und man niemals nie sagen sollte, hier im chronologischen Schnelldurchlauf die 8 Teams, die einen 1-3 Serienrückstand noch in einen Sieg umwandeln konnten.


1968 Boston Celtics

Es war eine Zeit, als sich langsam aber sicher die Medien und das Fernsehen etablierten. Die NBA besass nun 2 Divisions und gewann an Popularität hinzu. Im Conference-Finale (damals noch Eastern Division Finals) trafen die zwei besten Teams des Ostens aufeinander: Boston und Philadelphia. Die favorisierten 76ers, damals furchteinflössend mit Superstar Wilt Chamberlain (bester Rebounder und Assistgeber der Liga), Billy Cunningham und Hal Greer in ihren Reihen, hatten die beste Offensive (122 PPG) und gerade 62 Spiele gewonnen. Boston stand mit dem Rücken zur Wand. Angeführt von einem defensiv bärenstarken Bill Russell, der die Abwehr verankerte, sowie dem Scoring-Trio John Havlicek, Sam Jones und Bailey Howell kämpften sich die Kobolde aber durch zwei deutliche Siege ins entscheidende 7. Spiel zurück. Das gewannen die Grünen dann - in Philadelphia - mit 100-96, bevor sie im anschließenden Finale gegen Los Angeles den 10. Meistertitel der Celtics-Geschichte klar machten.


1970 Los Angeles Lakers

Dank Wilt Chamberlain, der erst ein Jahr zuvor via Trade nach Kalifornien gewechselt war, avancierten die Lakers zu einem ernst zu nehmenden Titelkandidaten. Sie hatten ja bereits Dick Garrett und den Topscorer der Liga in ihren Reihen: Jerry West (31.2 PPG). Dank 'Mr. Clutch' auf dem Perimeter und dem 'Big Dipper' unter den Körben erreichte Lila-Gold als zweitbestes Team das Halbfinale der West Division. Dort warteten die Phoenix Suns. Die hatten einen starken Frontcourt mit Paul Silas und dem früheren ABA-Star Connie Hawkins, sowie den flinken Gail Goodrich auf der Guard-Position. Die frühe 3 zu 1 Führung der Suns hielt aber nicht lange Stand. Die potente Lakers-Offensive ballerte Phoenix in den nächsten drei Partien mit insgesamt 63 Punkten Unterschied aus der Halle. LA schaffte es im anschliessenden NBA-Finale endlich, den verhassten Boston Celtics aus dem Weg zu gehen - verlor aber gegen die New York Knicks in einem weiteren Klassiker mit 4-3 ("...and here comes Willis !")


1979 Washington Bullets

Die Bullets hatten, angeführt von Wes Unseld und Elvin Hayes, im Jahr zuvor den ersten und einzigen Meistertitel der Franchise-Geschichte gewonnen. Den wollte man nun unbedingt verteidigen. Der Umzug in die Atlantic Division zur neuen Saison hatte gleich einen Divisionstitel eingebracht. Als bestes Team der Liga traf man im Ost-Finale auf die San Antonio Spurs um deren Megastar George 'The Ice Man' Gervin. Nach einem 1-3 Rückstand erzwangen die Bullets durch zwei hart umkämpfte Comeback-Siege ein alles entscheidendes 7. Spiel im heimischen Cap Center. In einem der faszinierendsten Playoff-Duelle aller Zeiten machten die immer weiter kämpfenden Bullets abermals einen Rückstand im letzten Viertel wett und besiegten die Spurs am Ende denkbar knapp 107-105. Das Finals-Rematch gegen die Seattle Supersonics verlor Washington aber mit 4 zu 1.


1981 Boston Celtics

Mit dem sensationellen Youngster Larry Bird an der Seite von Rookie Kevin McHale, Robert Parrish, Cedric Maxwell oder Nate 'Tiny' Archibald hatten sich die Celtics schnell wieder als Titelanwärter etabliert. Zwar lag der letzte Coup schon wieder 5 Jährchen zurück, aber dank der besten Bilanz während der regulären Saison war man sich des Titels in Beantown wohl recht sicher. Zu sicher vielleicht, denn wieder einmal versuchte der alte Rivale Philadelphia, den 'Leprechauns' einen Strich durch die Championship-Rechnung zu machen. Angeführt vom Liga-MVP Julius Erving gingen die Sixers prompt 3-1 in Führung und schoben den Favoriten bedrohlich nahe an den Abgrund. Was dann folgte, ist an Spannung nicht mehr zu überbieten. Die Celtics gewannen Spiel 5 und 6 mit jeweils 2 Punkten Vorsprung dank mehrerer Larry Bird Heldentaten. In der 7. und alles entscheidenden Partie (für viele der Beginn der miserablen und immer kontroverseren Schiedsrichterleistungen in der NBA) sorgte dann wieder 'Larry Legend' für den nicht mehr für möglich gehaltenen 91-90 Heimsieg der Celtics, die nur wenige Wochen später gegen Houston ein weiteres grün-weisses Meisterschaftsbanner klar machten.


1995 Houston Rockets

"Never underestimate the heart of a Champion" - dieser legendäre Satz von Rockets-Coaching-Legende Rudy Tomjanovich fand genau hier, in den Playoffs 1995, seinen rühmlichen Höhepunkt. Der amtierende Meister der ersten Post-Jordan-/Baseball-Ära war als Nummer 6 Team der regulären Saison gerade so in die Postseason gestolpert. Der spektakuläre Trade-Deadline Neuzugang Clyde Drexler hatte sich noch nicht integriert, das Team hatte nach dem Abgang von Otis Thorpe
vor allem unter den Körben massive Probleme bekommen. So überraschte es auch nicht wirklich, als man gegen die hoch favorisierten Phoenix Suns von Charles Barkley und Kevin Johnson (die man im Jahr zuvor nach Hause geschickt hatte) zunächst 0-2 und später sogar 1-3 zurück lag. Irgendwo da aber erinnerten sich die Raketen kollektiv an das, was sie während ihres ersten Titelgewinns ausgezeichnet hatte. Sie glaubten fest an sich und weigerten sich, aufzugeben. Nachdem Phoenix in Spiel 5 mehrere Chancen auf den Sieg ungenutzt liess, ergriff Houston in Person von Hakeem Olajuwon die Gunst der Stunde. 103-97 Overtime-Sieg. Dann ein überzeugendes 116-103 in eigener Halle. Und in Spiel 7 dann schließlich der berühmt-berüchtigte Genickbrecher von Mario Elie zum 115-114 Endstand. Phoenix war einmal mehr am Boden zerstört. Houston demolierte in den Finals die Orlando Magic um den jungen (und recht dünnen) Shaquille O'Neal und sicherte sich so den Back-to-Back NBA-Titel.


1997 Miami Heat

Pat Riley hatte die Heat völlig ummodelliert, nachdem er sie 1995 als Coach, Manager und Team-Präsident übernommen hatte. Schon 1997 war Miami zur positivsten Überraschung der Liga avanciert: erster Atlantic Division Titel, 61 Siege und ein bombastischer Kader um All-NBA Center Alonzo Mourning, der von Spielern wie Tim Hardaway, Jamal Mashburn und Dan Majerle flankiert wurde. Nachdem der grosse Rivale New York im Conference Halbfinale 3-1 in Führung gegangen war, griff Heat-Wuchtbrumme PJ Brown zum Bauerntrick: er beförderte Knicks-Guard Charlie Ward per Body-Slam aufs Parkett und löste so eine Massenschlägerei aus. Mehrere Knicks-Spieler wurden gesperrt, und Miami riss das Seriengeschehen ab Spiel 5 wieder an sich. Dank eines 101-90 Heimsiegs in der entscheidenden 7. Partie zogen die Rileys ins Conference Finale ein - wo sie dann das gleiche Schicksal ereilte, das in den 90ern für alle Ost-Teams reserviert war: eine Niederlage gegen die Chicago Bulls von Michael Jordan.


2003 Detroit Pistons

Die top gesetzten Detroit Pistons bekamen es 2003 mit den Orlando Magic um Tracy McGrady zu tun. Detroit, damals schon mit Grossteilen des späteren Championship-Rosters ausgestattet (Chauncey Billups, Ben Wallace, Rip Hamilton, Tayshaun Prince) schien aber in den ersten vier Partien nicht so recht mitbekommen zu haben, dass bereits Playoffs waren. Die Magic gingen 3-1 in Führung und standen kurz davor, erst das 3. Team überhaupt zu werden, dass einen Top Seed in der Auftaktrunde aus den Playoffs wirft. Dann legte Detroit den sprichwörtlichen Schalter um. Die Pistons verkloppten Orlando 98-67 in Spiel 5. Billups erzielte 40 Punkte in Partie 6 und schickte die Serie für ein alles entscheidendes Duell zurück nach Michigan. Dort erzielte 'Mr. Big Shot' dann 37 weitere Zähler und führte seine Pistons zum erst 7. Mega-Comeback der NBA-Historie. Obwohl Detroit im Confence Finale den New Jersey Nets unterlag, gewannen die Kolben im Jahr darauf ihren 3. NBA-Titel.


2006 Phoenix Suns

Die Saison hatte nicht gut begonnen für Phoenix. Amare Stoudemire musste sich einer Mikrofraktur-OP im Knie unterziehen, während der vielversprechende Off-Guard Joe Johnson im Streit um mehr Geld nach Atlanta abgewandert war. Dennoch gewannen die Suns 54 Partien. Neuzugang Boris Diaw wurde als Most Improved Player geehrt, während Steve Nash seinen zweiten MVP-Award in Folge erhielt. In den Playoffs ging es gegen die Los Angeles Lakers, bei denen Kobe Bryant damals noch den Alleinunterhalter gab. Schnell lag Phoenix 1-3 im Hintertreffen. In Spiel 5 probierte Raja Bell, den aufdrehenden Bryant mit einem Würgegriff und die Serie irgendwie wieder in den Griff zu bekommen. Das zeigte Wirkung, denn seine Teamkollegen liessen sich zu einem deutlichen Heimsieg aufstacheln. Der Spiel 6 Thriller ging trotz 50 Bryant-Punkten ebenfalls an Phoenix - nach Verlängerung. Steve Nash hatte 32 Punkte und 13 Assists aufgelegt. Im Entscheidungsspiel dann brillierten die Suns durch ihre gewohnt ausbalancierte Art - die wohl grösste Stärke der High-Octane Highlight Reel Suns jener Zeit. Zum ganz grossen Coup reichte es aber auch 2006 nicht. In den Conference Finals war gegen die Dallas Mavericks von Dirk Nowitzki das Ende der Fahnenstange erreicht.


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