4 Old Time Sake: Shawn Kemp





Auf vielfachen Wunsch und anlässlich des 41. Geburtstags von Shawn Kemp wird hier bei nbachef eine neue Rubrik ins Leben gerufen: 4 Old Time Sake. Wir erinnern, ganz ohne feste Ablaufmuster und in natürlich unregelmässigen Abständen an NBA-Stars vergangener Tage und die Helden unserer Kindheit. Den Anfang macht der "Reignman".

Shawn Kemp war ein Mutant unter Menschen. Ein nie für die Massenanfertigung vorgesehener Highlight-Roboter, der Abend für Abend vor allem eines in die nordamerikanischen Profiarenen brachte: Style. Dazu unbändige Power, gepaart mit Finesse und einem Flair fürs Extravagante. Mit dieser explosiven Mischung spielte sich der Reignman schon als 19-jähriger in die Herzen der Fans. Alley-Oops, Tomahawks und Coast to Coast Jams in die Fresse wären heute nicht das Gleiche ohne Shawn Kemp. Er arbeitete hart und stieg die NBA-Rangfolge empor. Zunächst zum Co-Star in Seattle an der Seite von Gary Payton, dann ins All-Star Team, dann zum Leistungsträger im Dream Team 2 und später sogar zum mit besten Akteur auf dem Parkett der 1996er Finalspiele. Seine Karriere war bis zu ihrem tragischen Niedergang ab 1998 eine einzige Highlight-Show.

Shawn T. Kemp war in den 80ern eine High School Sensation in Indiana gewesen. Obwohl er mit entstellten Beinen auf die Welt gekommen war und als Kleinkind Stützen tragen musste, damit sich diese anständig entwickeln konnten, gedeihte der junge Mann prächtig. Als 18-jähriger hatte er sich im ganzen Land einen Namen gemacht, jedes namhafte College buhlte um seine Dienste. Er entschied sich für Kentucky und avancierte so in seinem Heimatstaat Indiana zum Paria. Die Menschen verstiessen ihn fortan, bezeichneten ihn als dumm, geldgeil und unloyal. In Kentucky absolvierte Kemp aber keine einzige Partie, sondern verliess das College im Streit noch vor Beginn der Saison. Diese frühen Rückschläge sollten sein späteres Leben nachhaltig prägen. Er sehnte sich nach Rückhalt und Anerkennung, stiess aber fast überall auf Ablehnung und Unverständnis.

Nachdem er ein Jahr ausgesetzt hatte, meldete sich der 19-jährige Kemp 1989 zum NBA-Draft an. Die Leute hielten ihn für verrückt. Zum damaligen Zeitpunkt hatte es nur drei Spieler überhaupt gegeben, die jemals den Spung von der High School direkt zu den Profis geschafft hatten: Darryl Dawkins, Reggie Harding und Bill Willoughby. Nur Dawkins hatte Erfolg gehabt. Kemp glaubte dennoch an seine Fähigkeiten. Seattle offensichtlich auch, denn die Sonics wählten den langen Schlaks an 17. Stelle im Draft. Kemp verdrehte schon als Rookie zahlreichen Beobachtern den Kopf dank seiner schier übermenschlichen Athletik. So einen 2,08m Freak, gross, kräftig und pfeilschnell, hatte man zuvor noch nicht über den Platz fliegen sehn. Kemp deutete mit 6.5 Punkten und 4.3 Rebounds in knapp 13 Minuten schon als Rookie sein immenses Potential an. Das begann er dann ab seinem zweiten Profijahr, unter Leitung des damaligen Coaches George Karl, auszuschöpfen. Seine Scoring- und Reboundingwerte stiegen fortan in jeder der nächsten 6 Saisons, hinauf bis auf ganz starke 19.6 Punkte und 11.4 Rebounds in der Spielzeit 1995-96. In den Finalspielen gegen das übermächtige Chicago dominierte Kemp die Bulls mit 24 Punkten, 10 Rebounds und 2 Blocks im Schnitt. Seattle gewann 2 Partien und machte dem späteren Champ das Leben zur Hölle.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war Kemp angekommen in der NBA-Elite. Jeder Spieler, jeder Coach und jeder Fan respektierte ihn. Er hatte 1994 eine Goldmedaille als Mitglied des 2. Dream Teams nach Hause gebracht. Er war 1993 zum ersten Mal ins Western Conference All-Star Team gewählt worden. Er spielte auf All-NBA Niveau und duellierte sich mit Karl Malone und Charles Barkley um den Titel des besten Forwards der Welt. In einer Zeit, als Big Men noch was zu sagen hatten im NBA-Alltag, als Spiele und Playoff-Serien ausserhalb Chicagos nur über Gross gewonnen werden konnten, war Kemp einer der Allerbesten. Er hatte (fast) alles, was er sich jemals erträumt hatte.

Und dann ging's ganz plötzlich ganz schnell bergab. Die Gehälter in der Liga begannen, raketenmässig in die Höhe zu schiessen. Seattle köpfte das Salary-Sparschwein für Akteure wie Gary Payton und All-Time Bust Jim McIlvaine. Kemp ging leer aus. Er fühlte sich hintergangen und ausgenutzt, verlangte entweder eine Gehaltserhöhung oder einen Trade. Als er mit Streik drohte, schifften ihn die Sonics 1997 nach Cleveland. Kemp liess sich gehen. Er nahm zu, meldete sich mit 130 Kilos im Trainingscamp an. Er spielte langsam und behäbig. Es war, als hätte jemand die Luft aus dem Ballon gelassen. Erstaunlich, dass 'The Fat Shawn Kemp' in der Lockout-Saison 1998-99 dennoch seine Karrierebestleistung bei den Punkten aufstellte (20.5). Trotzdem: der Highflyer war nur noch ein Schatten seiner Selbst. Kemp sorgte mittlerweile ausschließlich ausserhalb des Basketballcourts durch seine Fettleibigkeit, Alkohol- und Kokainabhängigkeit für Schlagzeilen. Das wilde Leben in Saus und Braus, gepaart mit jeglichem Mangel an familiärem und emotionalem Rückhalt, hatte seinen Tribut gefordert. Kemp, der in den späten 90ern mindestens 7 Kinder gezeugt hatte (die Dunkelziffer soll bei 15 oder mehr liegen), wurde nun zusätzlich Opfer von Schadensersatzforderungen und Vaterschaftsklagen. Sein Leben lag in Scherben. Seine aktive NBA-Karriere endete ganz unspektakulär 2003 in Orlando.

In den letzten Jahren hat der 41-jährige vermehrt versucht, sein verkorkstes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Er nahm fast 30 Kilo ab, versuchte 2008 sogar sein aktives Comeback als Spieler in Italien. Er nahm den Kontakt zu allen unehelichen Kindern auf. Sein Sohn Shawn Kemp Jr. sorgte noch vor wenigen Jahren als High School Prospect für Furore. Es wäre erquickend, wenn man in Zukunft wieder öfters die ein oder andere positive Nachricht aus dem Kemp-Camp durch den Äther aufschnappen könnte.

Was die Vergangenheit angeht, so wird man sich mit Sicherheit an eines erinnern: an das gewitterartige Auftauchen dieses realen Videospiel-Charakters in der National Basketball Association. Und so schnell, wie das Unwetter 1989 aus dem Nichts aufgezogen war, genauso schnell war's dann Ende der 90er wieder verschwunden. Happy Birthday und alles erdenklich Gute, Shawn Kemp !



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