In der Sackgasse




Ein Misthaufen in einer tristen Sackgasse. Das sieht man beim Blick auf die Portland Trail Blazers (19-20) vor der heutigen Partie in Boston. Nach einem furiosen 7-2 Start, der Fans und unabhängigen Beobachtern den Eindruck vermittelte, dass dieses Team um den Einzug ins Conference Finale mitspielen könnte, sind die Spurmacher auf dem Weg ins gelobte Land einfach im Dickicht stecken geblieben. Und kommen keinen Zentimeter mehr voran.

Das selbe Team, das uns noch im Januar mit dynamischem Uptempo Teambasketball versöhnt hatte, verlor seither 18 von 30 Partien und ist in der Western Conference auf Platz 11 abgerutscht. Das Feuer von Gerald Wallace, der Speed von Raymond Felton, der abgezockte Durchblick von Marcus Camby - alles weg. Der Zusammenhalt auf und neben dem Platz, die unbändige Begeisterung der Fans - komplett verschwunden. Die Protagonisten sind immer noch die gleichen, die Parameter haben sich - oberflächlich betrachtet - nicht geändert. Die Dynamik innerhalb der Organisation hat sich aber total gewandelt.

Die entscheidende Frage: wer ist für das Schlamassel verantwortlich? Die Antwort liegt irgendwo zwischen Head Coach Nate McMillan, einem Teil des Spielerpersonals und Team-Besitzer/Hobby-Milliardär Paul Allen. Mc Millan, der seit 2005 in Portland die Seitenlinie auf und ab patroulliert, ist mit seinem Trainer-Latein offensichtlich am Ende. Anders lässt sich seine Passivität in Lineup-Angelegenheiten nicht erklären. Sein rigider Stil und die offensichtliche Vorliebe für bestimmte Charaktere haben in Kombination mit den vielen Niederlagen dazu geführt, dass einige Spieler zu meutern anfingen. Das wird offensichtlich, wenn man ihre Leistungen untersucht: Wallace verlegt einfachste Würfe am Fliessband, Felton (10.1 PPG, 38% FG) spielt die schlechteste Saison seiner Profikarriere, und Camby lungert nur noch an der Dreier-Linie herum, anstatt am Brett zu ackern. Zu allem Überfluss scheint ihnen das Verlieren nicht viel auszumachen, wie Interview-Zitate und beste Laune nach Niederlagen belegen. "Man checkt es nach nur einem Tag in dieser Umkleidekabine. Einige wollen wirklich gewinnen. Andere wünschen sich nur, dass die Saison so schnell wie möglich vorbei ist", wird ein Blazers-Spieler zitiert. Wenn Veteranen die notwendige Professionalität vermissen lassen, ist etwas im Argen. Ein Coach sollte nicht extra motivieren müssen. Wer also will gewinnen in Portland?

Lamarcus Aldridge. Nicolas Batum. Joel Przybilla. Und ein paar Youngster wie Elliott Williams oder Nolan Smith vielleicht, die aber von McMillan viel zu wenig Spielzeit erhalten. Der fürchtet nämlich um seinen Kopf. "Wenn ich das Team verliere, dann verliere ich alles", hatte Coach erst kürzlich recht deutlichen Einblick in seine psychische Verfassung gegeben. Tatsächlich scheint das Risiko, gefeuert zu werden, höher als je zuvor. Das Team steckt fest, die Guillotine erwischt meistens den Trainer zuerst. McMillan schwimmt.

Die Defensive, einst das Steckenpferd, ist zur Lachnummer mutiert. In den letzten 7 Partien (nur 2-5 Siege) haben die Trail Blazers 103, 97 (W), 104, 107, 122, 86 (W) und 106 Punkte zugelassen. Gegen Washington kassierte man 124. Gegen die Lakers lag man schon im ersten Viertel 37-7 zurück. Das ist mehr als peinlich. Obwohl sich die nackten Zahlen (Offense Platz 8, Defense Platz 11, Punktedifferenz Platz 6) hervorragend lesen - auch weil der irre Saisonstart das Gesamtbild verzerrt - kann man sich in Portland davon nichts kaufen. Je mehr Zeit vergeht, desto grösser werden die Frustrationen innerhalb des Vereins, der seit den verrufenen 'Jail Blazers' Tagen nicht hoffnungsloser war. Bleibt es bei der aktuellen Dynamik, wird dieses Team die Playoffs verpassen und avanciert zum talentiertesten Lotterie-Team aller Zeiten. Irgend etwas muss sich ändern.

Genau deshalb werden die Trail Blazers zu den aktivsten Teams vor der Trade-Deadline gezählt. Dass Spieler getradet werden, ist unausweichlich. Die Frage bleibt: wer muss gehen? Die grössten Kandidaten sind Felton (auslaufender 7.6 Mio $ Deal), Jamal Crawford (auslaufender 5 Mio $ Deal), Camby (auslaufender 11 Mio $ Deal) und sogar Wallace (9.5 Mio $ mit Opt-In Klausel für '12/13). Felton und vor allem Crawford scheinen auf dem freien Markt grosses Interesse zu generieren und dürften leicht abzustossen sein. Wenngleich das Team gerne professionellere Spieler für Gegenwart und Zukunft erstehen würde, sollte man sich auch mit jungen Talenten und ein paar Draft-Picks zufrieden geben. Aber was ist eigentlich der Plan? Das Management inklusive GM Chad Buchanan operiert nur auf Interimsbasis. Teambesitzer Paul Allen gehört zwar zu den reichsten Männern der Welt, ist aber geistig total verarmt und scheint schlicht und ergreifend das Interesse an seinem teuren Spielzeug verloren zu haben. Das Feuern von Managern (Kevin Pritchard, Rich Cho) ist für ihn zum Sport geworden. Auch Buchanan wird bald gehen müssen, das steht intern schon so gut wie fest. Wenn also schon auf höchster Ebene jegliche Kontinuität und Professionalität fehlt, wie soll das On-Court Produkt dann langfristig gut werden?

Die nächsten sechs Tage könnten die Machete sein, die diese Mannschaft aus dem dornigen Gestrüpp frei schlägt. Eins, zwei neue Spieler reichen manchmal schon aus, um die komplette Dynamik innerhalb eines Teams umzukehren und in der zweiten Saisonhälfte einen Lauf zu starten. Vom Talent-Level her gehört Portland in die Playoffs. Sollte man lieber für die Zukunft bauen, kann man für die verbleibenden sieben Wochen ein paar Youngster mieten und überprüfen, wer sich für eine neue Blazers-Edition eignet. Eine, die hart ackert, zusammen an einem Strang zieht, das Spiel respektiert. Mit der sich die Fans identifizieren können. Und unbedingt gewinnen will. Das genaue Gegenteil von dem also, was man dieser Tage sonst so im Rose Garden ertragen muss.


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